Die Melancholie des Dichters
Ein Südpfälzer Verlag auf den Spuren der Dichtung von
Paul Celan
VON GABRIELE WELNCARTNER, Rheinpfalz, 5.4.2012
Der Philologe sei dem Psychologen zur Hand gegangen, schreibt
Jean Firges im Vorwort seiner Ende 2011 erschienenen Publikation
„Schwarze Sonne Schwermut", die sich in unglaublich
konzentrierter und kundiger Weise der Melancholie und deren
„kreativer und destruktiver Kraft" in Paul Celans
„Leben und Dichtung" widmet. Zwar schrieb der am Ende seines
Berufslebens in der Pfalz angekommene Firges 1959 auch eine
literatur-wissenschaftliche Dissertation über den großen
Dichter, zu einer Zeit mithin, als man diesen noch gar nicht richtig
verstand. Seine neuesten Äußerungen über Celan dagegen
entstammen zu großen Teilen einer Arbeit aus dem Jahr 1998, in
die neueste Forschungsergebnisse über den Verlauf der
Paranoia-Erkrankung des Poeten eingegangen sind. Erst die Zusammen
schau aus beiden Bereichen macht den Band zu einem Leseerlebnis. Er ist
ein „Muss" für alle, die von Celans Lyrik und deren
Verschlüsselungen schon immer fasziniert waren und sich
womöglich immer wieder anrühren lassen von den Briefen und
dem tragischen Lebens-lauf des 1920 in Czernowitz geborenen Dichters,
der 1970 in die Seine ging, sich mit Plagiats vorwürfe n der
beleidigten Yvan-Goll-Witwe herumschlagen musste und gewiss nicht die
Wertschätzung erfuhr, die seinem literarischen Rang entsprochen
hätte. Damit freilich hält sich Firges kaum auf. Der 1934 in
St. Vith im deutschsprachigen Belgien geborene, lange Zeit als
Professor für französische Sprache und Literatur an der
Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg lehrende Inhaber des
Sonnenberg Verlags in Annweiler schrieb zahlreiche Essays über
Celan. hielt auch Vortrage über ihn, die in der Pfalz ein
großes Publikum fanden. Und er kommt nicht auf die Idee, die
zunehmende Para-noia des Poeten zu bestreiten. Im Gegenteil, in einer
bewundernswert präzisen und biografisch feinfühlig
interpretierenden Engführung gelingt es ihm. die Melancholie
Celans als Treibmittel seiner poetischen Kraft zu analysieren. Firges,
der sich während seines gesamten wissenschaftlichen Wirkens um
Celans Dichtung bemühte, hat mit seinen Veröffentlichungen
und Referaten wohl so manchen Literaturfreund nicht nur
aufgeklärt, sondern auch mit- und hingerissen. Dass er Celan und
seine Frau persönlich kennenlernte und sie in Paris besuchte,
schildert er bescheiden in einer Fußnote. Und seinen eigenen
Anteil an einem Ausbruch von Celans Verfolgungswahn betrachtet er
selbstkritisch als Fall von „Wichtigtuerei" eines
übereifrigen 24-jährigen Studenten.
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